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Hochparterre Sonderheft «Holzpreis 2009»

Holz wie Gummi

Es begann in einem Abendkurs. Der Industriedesignstudent Christian Kuhn wollte mit Holz, das in seiner Fachrichtung eine Randexistenz führt, eine Liege bauen. Serge Lunin, der den Abendkurs leitet und angehende Lehrer für bildnerisches und dreidimensionales Gestalten unterrichtet, stand Kuhn mit seinem Fachwissen als gelernter Schreiner zur Seite. Kuhns Idee war es, die Liegefläche aus Holz, aber beweglich zu machen. Zusammen begannen sie, verschiedene Holz- und Holzwerkstoffplatten zu bearbeiten. Dukta, wie sie ihr danach in vielen Stunden erarbeitetes Prinzip nennen, arbeitet mit der Schlitzung von Holzplatten. Die Schlitze werden von zwei Längsseiten so tief in die Platte gefräst, dass sie in der Mitte überlappen. Und diese Überlappung hat den überraschenden Effekt, dass die Platten nicht nur linear biegbar werden, sondern auch verdreht werden können. Derart plastisch verformbar, bekommt Holz ganz neue Qualitäten und Anwendungsgebiete. Oder bekäme, denn Dukta ist bis anhin eine rein experimentell entwickelte Verarbeitungsmethode, deren Grenzen die beiden Gestalter mit jedem neuen Stück ausloten. Wie viel eine Platte verträgt, hängt von der Holzart ab oder der Art des Holzwerkstoffs ab. Linde und Birne eignen sich besonders gut, da sie sehr dicht und homogen sind, Sperrholz verhält sich anders als MDF oder Dreischichtplatten.

Die Stärke des Konzepts ist die Unverfrorenheit seiner Erfinder: Entstanden als freie Zusammenarbeit zwischen einem Designstudenten und einem Holzgestalter und Schreiner in der gut ausgestatteten Holzwerkstatt der Hochschule der Künste, weder von einem Ingenieur berechnet noch von den Interessen einer Firma gesteuert. Das Wissen zum Material und dessen Verarbeitungsmethoden sowie das fachliche Können des Schreiners werden von den Interessen und den Anwendungsideen des Designers, wohin er seine Idee bringen will, in eine Richtung getrieben. Dabei kümmerte die beiden das Tabu, Holz gegen die Faser zu verletzen, ebenso wenig wie die Wirtschaftlichkeit. Die Platten sind bisher handgefräst, was alle Versuche zusammengezählt sicher einige Zehntausend Schnitte ergibt.
Denn bis anhin gibt es die geeigneten Maschinen nicht, die Dukta computergesteuert fräsen könnten. Normale CNC-Fräsen halten die Platten mit einem Vakuum. Da eine Dukta-Platte aber schon nach dem ersten Schnitt nicht mehr steif ist, kann sie mit bestehenden Maschinen nicht geschlitzt werden. Dies wird eines der Themen sein, das die beiden Gestalter im eingereichten KTI-Projekt (vom Bund geförderte, angewandte Forschungsprojekte zwischen Hochschulen und Wirtschaft) zusammen mit der Holzfachschule Biel und einem Wirtschaftspartner lösen wollen.

Natürlich stellt sich nun die Frage nach der Anwendung. Bis anhin haben die beiden Entwickler ihr Prinzip vielfältig eingesetzt und der Designaspekt interessiert sie dabei ebenso wie der Materialaspekt. So bauten die beiden zylinderförmige Leuchten, bei denen die einzelnen Streifen durch ein Nut und Feder Prinzip zusammengehalten werden. Bei diesen Leuchten haben sie neben der Form auch die Lichteffekte einerseits am Leuchtenkörper und andererseits im Raum interessiert. Am Objekt ist in diesem Fall das Spezifische von Dukta, die Beweglichkeit, in der Spannung spürbar: Die Holzstreifen lassen sich leicht aus den Federn lösen, wobei sie sich auf der Stelle wieder in ihre ursprünglich ebene Gestalt zurückbewegen. Ein Paravent, bei dem sie ebenfalls geschlitzte Holzstreifen mit Stahlfedern stabilisieren, geht einen Schritt weiter: anders als beim Zylinder handelt es sich nicht um eine geschlossene Form, weshalb der Paravent beweglich und nach der Fertigstellung verformbar bleibt. Von einer Liege wurde unterdessen der Prototyp gebaut, der nicht mehr aus einer Platte, sondern einem Hohlkasten besteht. Dieser wurde geschlitzt, aber in dessen Seitenwände ist nachträglich ein Stahlrohr von 10 mm ø eingelassen, das für die Stabilität der Liege sorgt. Die Duktilität betrifft in diesem Fall die Liegefläche, die wie bei einem klassischen Spaghetti-Liegestuhl sich den Körperformen und -gewicht der Liegenden anpassen kann. Weiter schlitzten Lunin und Kuhn ein Kantholz mit quadratischem Querschnitt so, dass es wie eine Feder funktioniert. Das Hohlkasten und das Paraventprinzip könnten für Akustikmassnahmen spannend werden, für gewellte Decken oder Wände, die so eventuell verformbar bleiben würden. Durch das subtraktive Fräsverfahren verlieren die Holzplatten einen Drittel ihres Gewichtes – ein wichtiges Kriterium für Anwendungen wie etwa beim Innenausbau von Zügen..

Als Kür haben die beiden Massivholzplatten längs und quer geschlitzt. Diese lassen sich nun wie Gummimatten in alle Richtungen verformen – wenn auch nicht endlos. Denn natürlich sind die Belastungen so an der Grenze dessen, was der Werkstoff Holz aushält. In einem weiterführenden Versuch wurden die Fugen mit Silikon gefüllt, womit die Duktilität zwar abnimmt, die Stabilität aber um ein Vielfaches vergrössert wird. Bis anhin muss man bei vielen Mustern und Proben immer auf die Macher hören, die „Sachte!“ rufen, obwohl man Lust hätte, die ungewohnten Beweglichkeit des Materials bis zum Anschlag zu testen.

Nun gibt es also unzählige Muster und Anwendungen des Prinzips Dukta, die von Halsschmuck über skulpturale Ansätze, Leuchten und Paravents sowie Liegen oder Akustikpaneele reichen und in den verschiedensten Ausprägungen des Materials Holz realisiert sind – bis hin zu selber hergestelltem Birnensperrholz. Man wünscht den Machern, dass sie von geeigneten Partnern nicht gebremst werden, sondern dass ihre Schaffenslust mit Wissen zu Fertigungsprozessen, Produktionsverfahren, Belastbarkeit oder Oberflächenbehandlung gepaart dazu führen könnte, dass verformbare, duktile Werkstücke aus Holz für eine breitere Schar von Fachleuten anwendbar würde.

Credits:
Dukta wurde von Christian Kuhn und Serge Lunin ab 2007 entwickelt. Lunin ist Ende vierzig und arbeitet seit zwanzig Jahren als Dozent und Lehrer für dreidimensionales Gestalten mit Holz, heute Vermittlung Kunst und Design an der Zürcher Hochschule der Künste. Ursprünglich hat er Schreinergelernt. Christoph Kuhn ist Mitte zwanzig und studiert Industrial Design an der gleichen Schule. Zuvor hat er schon drei Jahre in Südafrika als Designer gearbeitet. Begonnen hat die gemeinsame Arbeit in einem der Allgemeinheit offnen Abendkurs. Dukta wurde 2007 mit dem Innovationspreis holz 21 ausgezeichnet.

 

Text © Barbara Wiskemann

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